Stunts

Neulich hatte ich mal wieder einen Anflug von nostalgischer Stimmung und dachte zurück an meine Kindheit. Eine Zeit, in der ich auf dem Sofa einschlafen und im Bett wieder aufwachen konnte (like a boss!), in der Fruchtzwergeeis und Diddl-Mäuse der heiße Scheiß waren und in der ich das erste Mal mit Videospielen in Berührung kam.

Damals, als man noch Disketten ins röhrende Laufwerk schob und der Ton aus dem Tower und nicht aus den Boxen dröhnte. Ihr wisst schon: die gute alte Zeit.

Für meinen heutigen Beitrag habe ich deshalb ein Spiel aus meiner Erinnerungskiste gegraben, das zwei Dinge kombiniert, auf die ich damals echt flog: Rennen fahren und absoluter Blödeleien-Overkill.

Stunts wurde vom kanadischen Studio Distinctive Software Inc. (DSI) entwickelt (das 1991 übrigens von Electronic Arts aufgekauft und in EA Canada umbenannt wurde). Publisher in den USA war Brøderbund, in Europa wurde das Rennspiel von Mindscape vertrieben.

Es ist nicht bloß ein Rennspiel, in dem ich meine Runden drehe und entweder die Uhr oder computergesteuerte Mitspieler zu schlagen versuche (obwohl es natürlich so gespielt werden kann).

Der unangefochtene Star des Spiels ist der Editor, der es mir erlaubt, eigene Rennstrecken zu entwerfen. Und Stunts hieße nicht Stunts, wenn es nur darum ginge, öde im Kreis zu fahren.

Der Kreativität sind (fast) keine Grenzen gesetzt

Ich kann Sprungschanzen bauen, Loopings und Schrauben, Fahrer*innen das Leben mit Betonwänden auf der Straße zur Hölle machen oder so viele enge Kurven aneinanderreihen und den Rand mit Häusern zukleistern, dass ein Crash nahezu unvermeidbar wird.

Am meisten Spaß macht es natürlich, diese Strecken für andere zu basteln. Wenn ich mir also mal Besuch einlade und dessen Frustrationstoleranz ermitteln möchte, ist Stunts ein mindestens genauso guter Kandidat dafür wie Dark Souls. Strecken können und sollten aber natürlich auch selbst getestet werden – der trial-and-error-Prozess macht auch alleine Spaß (und/oder irre).

Der Editor ist in seiner Handhabung wunderbar einfach. Es wird eine der vielen zur Verfügung stehenden Landschaften ausgewählt und dann Straßen, Loopings etc. dorthin platziert, wo sie am meisten Schaden anrichten können. Dazu wähle ich am rechten Rand die entsprechenden Elemente aus und platziere sie dann auf dem Grün.

Zum Schluss kann ich meiner Strecke noch einen kreativen Namen geben, speichere sie dann ab und kehre ins Hauptmenü zurück. Von dort geht es nahtlos weiter zur Auswahl des schnittigen Sportwagens (oder der eher lahmen Karre), mit dem ich über meine frisch betonierte Strecke heizen möchte.

Ich orientiere mich meistens einfach an dem Graphen auf der linken Seite und wähle das Auto aus, das am schnellsten beschleunigt und die höchste Geschwindigkeit erreicht.
Was soll schon schiefgehen?

Mit Vollkaracho an die Wand

Klingt alles viel zu easy? Au contraire! Ziel ist es ja nicht nur, fröhlich die Runden auf der Strecke zu drehen, sondern auch, dies zu tun, ohne in einem gigantischen Feuerball an einem auf dem Land gestrandeten Schiffswrack zu zerschellen.

Zu verunglücken ist kinderleicht und passiert ständig. Bei so ziemlich jeder Gelegenheit. Quasi ohne Vorwarnung. Es braucht jedenfalls nicht viel, damit der Wagen fahruntauglich wird und ich mein Rennen von vorne starten darf:

„Oh, du hast den Looping nicht richtig erwischt und bist beim letzten Stück etwas abgekommen und fällst jetzt einen halben Meter tief, landest aber auf den Reifen? Fang von vorne an.“

„Oh, du konntest nicht rechtzeitig bremsen und bist mit einer Restgeschwindigkeit von 15 km/h vor die Wand gefahren? Fang von vorne an.“

„Oh, du bist mit 210 Sachen über zwei Windmühlen gesprungen und fliegst jetzt ungebremst in eine Palme, die irgendwer mitten auf die Rennstrecke gepflanzt hat?“
Ähm… na gut, das wäre vielleicht auch in der Realität minimal tödlich.

Sollte ich es dann womöglich doch einmal geschafft haben, im Kreis zu fahren ohne zu verunfallen, kann ich die Früchte meines Fleißes ernten und mich in der eigenen Rückschau suhlen. Dort kann ich meine Leistungen noch einmal aus verschiedensten Kameraperspektiven in aller Ruhe nachvollziehen und die spektakulärsten Stunts noch einmal erleben.

Kurz gesagt: Das Spiel macht Laune. Und wie bereits erwähnt, hat der Streckeneditor die Nase ganz weit vorne, was das Fun-Potenzial betrifft. Egal, ob ich nun eine Strecke mit oder ohne Firlefanz baue – sie auf ihre Tauglichkeit zu prüfen ist eine durchgehend unterhaltsame Angelegenheit. Der eigene Ehrgeiz wird zudem umso mehr geweckt, je größer die Herausforderung ist.

So dachte ich zunächst, meine Sprungschanze, die ich recht nah hinter einer Kurve gebaut hatte, sei einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Aber in dieses Schicksal ergeben wollte ich mich dann doch nicht so schnell. Und siehe da: Übung macht – naja – und nach sechs erfolglosen Versuchen hatte ich es dann doch endlich geschafft, meinen Wagen heile und schnell genug durch die Kurve zu bekommen, um den Sprung zu schaffen. Und bin dann an der nächsten Betonwand zerschellt. Doch zurück ans Reißbrett kann ich ja glücklicherweise jederzeit kehren.

Heute noch so frisch wie damals

Wer Stunts noch nicht gespielt hat, sollte das dringendst nachholen. Wer es schon kennt, sollte es schnell wieder ausgraben.

Übrigens: Stunts hat noch heute – mehr als 30 Jahre nach Veröffentlichung – eine aktive (wenn auch sehr kleine) Community. Im ZakStunts-Forum liefern sich Mitglieder aus verschiedenen Ländern Rennen auf ständig wechselnden Strecken, die von ihnen zusammengebastelt wurden.

Neue Gesichter sind dort jederzeit willkommen!


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